Ein in Deutschland lebender Holländer schreibt uns:
In diesen schweren Zeiten waren die Kinder meines Chefs noch in ihrem Erholungsurlaub, und ich stellte mich zur Verfügung, sie zu holen. Meine Reise fing am Sonntag morgen, am 9. August, 5 Uhr 47 Minuten von Berlin an, und nach verschiedenen Wechseln der Züge kam ich endlich mit etwa 50 Reservisten bis nach Wilhelmshöhe und weiter nach Treysa. Hier hieß es: „Alles aussteigen“. … weiterlesen
Es ist wenig mehr als fünfzig Jahre her, als am Ufer der Ahr, etwa anderthalb Meilen von der Stelle entfernt wo sie nach einem Laufe von hundert Kilometern vorbei an steilen Felsenhängen und an riesenhohen Rebenterrassen in den Rhein mündet, ein Weinbauer an der Mauer seines Hauses einen Brunnen grub und plötzlich seine Füße von einem warmen Wasserstrahl umspült fühlte. Dieser Strahl entsammte einer bisher verborgen gewesenen Quelle, die heute unter dem Namen „Neuenahrer Sprudel“ in der ganzen Welt bekannt ist. … weiterlesen
Die See sah aus wie ein grünes Haferfeld, in dem der Wind wühlt und zaust, aber die Sonne glitzerte doch über der schaukelnden Fläche, und die geschüttelten Haferähren blitzten bald goldig, bald silbern. Aber als ich mit meinem Koffer an dem äußersten Kopfende der Brücke erschien, um mich nach Rügen einzuschiffen, da raunte man mir von allen Seiten ein unverständliches Wort entgegen. Der Vertreter der Schifffahrtslinie murmelte es achselzuckend, der Brückenwärter brummte es, und der Signalgast hoch oben vom Turm schrie es böse herunter: „Strömungen.“ Ich weiß aus alter Erfahrung, das sind unangenehme Einflüsse und Wiederstände, die sich unter der ruhigen Meeresoberfläche abspielen, und die der Landbewohner nicht begreift. Es geht genau wie im politischen Leben. Alles ist scheinbar ruhig und in bester Ordnung. Aber unten grollt es irgendwo und flutet und strudelt die schönsten Regierungspläne ins Unermessliche von dannen. Und kein gouvernementales Schiff kann landen. … weiterlesen
Seit nahezu zwei Jahrzehnten lebe ich gewissermaßen in Monogamie mit dem Salzkammergut. Ich kenne kein anderes Reiseziel neben ihm. Ich wahre ihm die Treue mit einer Beharrlichkeit, die einen Beweis für meine ganze moralische Rückständigkeit bildet. Ich kenne jede Einsattelung in seinen Bergen. Ich habe alle Lieblichkeiten seiner Talweiten durchwandert. Ich habe an jedem seiner tiefeingeschnittenen Seebecken lautlose Stunden der Einsamkeit durchgrübelt und durchträumt. Unter den Laubdächern seiner Weißbuchen mache ich meine Morgengänge. An den farbigen Blumenpolstern seiner Alpenwiesen wird mein Auge jung. An dem Ufersaum seiner versteckten Weiher treffe ich mich mit vergangenen Tagen, die um mich gespenstern … und die Erinnerungen öffnen weit ihre Kelche. … weiterlesen
Wenn man Interlaken betritt und die großen mehrstöckigen Hotels und die reichen Läden sieht, dann glaubt man in eine Großstadt eingefahren zu sein. Auf den Straßen wogt und flutet es von vielfältigem Leben: elegante Frauen rauschen vorüber; Männer mit gebräunten Gesichtern schreiten in leichtem Schritt froh und wohlgemut vorbei. Es fehlt aber der Staub, der Ruß und das Hasten der Stadt; ein stiller Feiertagsfrieden liegt über den Ort und die Menschen ausgegossen. … weiterlesen
Heringsdorf – heirafsassa juchhe! Es geht lustig zu in diesem Ostende der Insel Usedom! Ein starkes Bewusstsein davon rinnt einem sofort jugendlich kitzelnd durch die Adern, sobald man die Doppelstadt jenes reizenden bunten Fleckens voll Jugendlust und Übermut, voll Spiel und Flirt, voll Tanz und Gesang, voll Frauenschönheit und Männersehnsucht betritt. Denn dieses jauchzende Seebad klafft halb unbewusst in zwei Kolonien auseinander. … weiterlesen
„Wohnt ihr auch in einem erstklassigen Hotel?“ – mit diesen Worten begrüßte uns der elfjährige Karl, als er von Grindelwald für einige Tage zu uns nach Wengen auf Besuch kam. „Junge, es wird auch für dich gut genug sein“, war meine Antwort und seine Eltern lächelten. Sie fanden die Frage ihres Sohnes gar nicht unnatürlich. … weiterlesen
Wie ein hungriger Junge mit einem großen Happs einen Halbmond aus seinem Butterbrot beißt, so hat die Ostsee die Danziger Bucht herausgebissen.
Auf diesen Vergleich brachte mich der alte Kapitän, der mich auf seinem Frachtdampfer von Kopenhagen nach Danzig mitgenommen hat. Er sollte meine Leichenbittermiene, an der die Seekrankheit schuld war, zerstören, als wir grade um Hela herumkamen. … weiterlesen
Fundstück der Woche
Erinnerung an ein Jahr Kriegsgefangenschaft in Munsterlager, 1914-1915.
Selbstgemachter Fotorahmen aus einer alten Blechdose von Eduard Jorisson
Quelle: europeana1914-1918.eu | Beiträger: Bart Cordens | Urheberrecht: CC-BY-SA
Kriegsanleihe!
Dr. Richard Weiskirchner an die Landwirte Wien, 31. August 1914